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REISETAGEBUCH CUBA
Salsa-Tanzreise mit muevete nach La Habana
verbunden mit privaten Abstechern

Andere Reiseberichte Cuba: Artikel in Salsa Sabrosa Nr.13 und Nr.14, "A View of Cuba: Uncensored"
Links: Cuba, "Kuba - das ist nicht so einfach", Son Cubano, Photo-Galerie Cuba

LA HABANA - SANTIAGO DE CUBA - LA HABANA

LA HABANA: Ankunft und Unterbringung - Stadtrundfahrt und Willkommensparty - Unterricht - Ausgang - Spielende Kinder - Tal von Viñales - Tourismus - Tropicana - Abschiedsparty

Ankunft und Unterbringung. Auf verschiedenen Wegen kommen wir am 29.September 2001 spät abends im Flughafen José Martí in Habana an und werden dort von den Reise-Organisatoren Doris Lindau und Thom Müller vom Salsa Club Bern empfangen. Die Reisegruppe besteht aus Salsa-Aficionados aus dem Raum Bern und Zürich. Mit dem Bus werden wir nacheinander zu den Casa Particulares in Vedado gebracht, wo wir jeweils untergebracht sind. Ich habe eine hübsche kleine Wohnung nahe dem Malecón, die mir gut gefällt. Im gleichen Haus sind noch andere von uns untergebracht. Einige von uns haben sogar das Glück in einer Casa Particular direkt am Malecón untergebracht zu sein mit Blick hinaus auf das Meer. Bevor ich mich schlafen lege muss ich hinaus zum Malecón. Ich komme an einem Polizei-Auto vorbei, das verdunkelt in einer Seitenstrasse auf Patrouille steht. Dann stehe ich zum ersten Mal am Malecón. Es ist eine warme sternenklare Nacht. Es weht ein schwacher Wind. Ich höre dem Rauschen der Brandung zu und freue mich wieder in Cuba zu sein.
 
Stadtrundfahrt und Willkommensparty. Als ich am nächsten Morgen aufwache schallt vom Nachbar kubanische Musik herüber. Im kubanischen Radio läuft viel kubanische Musik - und nicht nur Salsa, sondern das ganze Spektrum kubanischer Musik. Unsere Gastgeber Belkys und Papo haben das Frühstück zubereitet. Sie sind ein freundliches älteres Ehepaar, das sich während der ganzen Zeit alle Mühe gab, uns ein vielfältiges Essen zu servieren und uns den Aufenthalt angenehm zu machen. Ich bin froh etwas spanisch zu können, denn sie freuen sich, wenn sie angesprochen werden und unterhalten sich gern. Später machen wir eine Stadtrundfahrt in Begleitung eines staatlichen Touristenführers. Habana Vieja gefällt mir sofort. Einige Häuser wurden restauriert und dienen nun als Dollar-Restaurants für Touristen. In vielen dieser
 
Restaurants spielen Son-Bands alte kubanische Klassiker. Am Abend gehen wir zur Willkommensparty. Auf dem Dach des Casa del Científico am Prado ist eine kleine Disco eingerichtet worden. Man hat von dort oben eine schöne Aussicht auf das verfallene Habana und auf das Capitolio Nacional. Der eingefallene Dachstuhl des Gebäudes gegenüber gibt eine malerische Kulisse ab. Leider ist es keine Hintergrundkulisse wie in einem Theater, sondern Wirklichkeit. Unsere kubanischen Tanzlehrerinnen und Tanzlehrer begrüssen uns mit einer einstudierten Show, die zu einer schnellen Rueda übergeht. Sie wirken sehr sympathisch und man sieht sofort, das sie alle wirklich gut tanzen. Ich bin froh darüber, denn für das Gelingen einer Salsa-Tanzreise ist dies sehr wichtig. Marisuri hat eine super Truppe zusammengestellt. Es gibt etwas zu essen und es wird ein sehr schöner Abend.

Unterricht: Despelote mit Marisuri - Rueda-Figuren im Casino - Son

Am nächsten Tag beginnt der Unterricht mit 1 1/2 Stunden Despelote mit Marisuri. Dann gibt es etwas Zeit für Mittagspause und anschliessend Salsa-Unterricht für 1 1/2 Stunden. Dies sollte der Arbeitsrhythmus für die nächsten zwei Wochen sein. Im Salsa-Unterricht werden nach Stärke drei Gruppen gebildet und in allen Gruppen werden Figuren in der Rueda geübt. Das Kurslokal ist die meiste Zeit klimatisiert und sonst recht kühl, da es eigentlich ein Theater ist und kaum Fenster hat. Unsere kubanischen Tanzlehrerinnen und Tanzlehrer sind sehr gut. Es macht Spass mit ihnen zu arbeiten. Einige der Tanzlehrerinnen können auch den führenden Teil tanzen. Sie sind leicht zu führen, drehen sehr leicht und können bei Problemen mit neuen Figuren kompetent helfen. Rodolfo, der "Chef", nimmt sich Zeit für jeden und hat auch die notwendige Geduld. Die Rueda macht so wirklich Spass. So vergehen schnell zwei Wochen mit Despelote und neuen Rueda-Figuren. In einer Mittagspause macht Roberto einmal Figuren aus der Puertorriqueña. Seine kubanische Tanzpartnerin ist erstaunt und sehr interessiert. Wegen der Isolation Cubas kennt man so etwas hier gar nicht. Die letzten zwei Tage machen wir etwas Son. Son in La Habana wird elegant getanzt: Bewegung der Schultern elegant, der Son-Schritt weich und "suave". In Santiago sind im Son die Bewegungen der Schultern dagegen eckiger und der Son-Schritt wird stärker akzentuiert. "Si, pero es una otra idea", sagt meine Tanzlehrerin dazu (das ist eine andere Idee) und bleibt dabei Son wie in La Habana zu tanzen. "La Habana es La Habana", sagt man ja in Cuba. Oder: So tanzen nur die Guajiros (Bauern) im Oriente (Süden Cubas). Da es im höheren Kurs keine grösseren Probleme mit Son gibt, zeigt Rodolfo wie fliegend zwischen Son und Cha-cha-chá gewechselt werden kann. Ich kannte dies schon von Rita her und habe keine Probleme damit. Dann zeigt uns Rodolfo noch wie zwischen Son und Salsa hin- und her gewechselt wird. Dies ist nicht ganz einfach, da beschleunigt oder verzögert werden muss, um vom "4" im Son auf das "1" im Salsa zu wechseln und umgekehrt. Dies ist beim Wechsel zwischen Son und Cha-cha-chá nicht notwendig, da beide Tänze auf "4" getanzt werden (das "Cha-cha-chá" ist eigentlich ein doppelter Son-Schritt). Dies gefiel mir sehr. Viele Salsa-Stücke fangen als Son an und werden dann zu einem Salsa. Gut zu wissen, wie man den Wechsel anzeigt.

Ausgang: Azúcar Negra - Bamboleo - Pulvorín

An einem der ersten Tage gehen wir ins Casa de la Música zu einem Konzert von Azúcar Negra. Es ist ein schönes Lokal mit einer angenehmen Atmosphäre. Wir tanzen viel bis das Konzert anfängt. Eigentlich bin ich nicht so ein Timba-Fan,

aber das Orchester spielt wirklich gut, so dass der Abend ein Erlebnis wird. Die Sängerin bewegt sich unglaublich gut und zieht alle Blicke an. An einem folgenden Tag ist ein Konzert von Bamboleo im Café Cantante angesagt. Die Band erscheint nicht, aber man kann dort gut tanzen und wir haben eine gute Zeit bis wir ins Casa de la Cultura in Habana Vieja weiterziehen. Am späten Abend zieht noch eine kleine Gruppe zu einer Disco direkt unterhalb des Leuchtturms des El Morro (ich glaube es hiess "Pulvorín", jedenfalls etwas mit dem spanischen Wort für Pulver). Es gibt eine kleine Terasse zum Tanzen mit herrlichen Blick auf den nächtlichen Malecón bis hinauf zum Gebäude der amerikanischen Vertretung. Am Ende des Abends fragen wir uns, wie unsere kubanische Begleitung um diese Zeit noch nach Hause kommt. Wir bringen sie dann heim. Die Strassen sind jetzt menschenleer, nur Polizisten patrouillieren in den Strassen. Sie wohnen weit ausserhalb Habanas. Mir wird klar, dass ein paar Dollar für Eintritt und Getränk nicht viel sind, wenn wir unsere kubanischen Kollegen für den Ausgang einladen. Sie nehmen dafür recht grosse Mühen auf sich. In der Zeit, in der ich später in Santiago war, spielten Paulito F.G. und La Charanga Habanera. Mit den Konzerten braucht es halt etwas Glück.

Spielende Kinder. Einmal laufe ich vom Kursort zurück zu meiner Wohnung. Es windet etwas. Eine Gruppe von Kindern hat sich eine Art Drachen gebastelt, indem sie Schnüre an Henkeln von Plastiktüten gebunden haben. Sie halten die Plastiktüten in den Wind und haben eine riesen Freude. Das Bild ist einfach zu schön. An der anderen Strassenseite stehend mache ich ein Foto. Die Kinder winken zu mir rüber. Ich winke zurück. Dann gehe ich weiter und komme an einer alten verfallenen Villa vorbei. Die Eingangsterasse ist mit den Jahren glattgelaufen und rutschig. Zwei Jungen spielen daruf Wettrutschen. Die Fröhlichkeit und Natürlichkeit der Kinder, die von den wirtschaftlichen Problemen nichts wissen, ist eine Freude und tut mir gut. Offensichtlich gibt es gleichere Kubaner, die in neuen Audis und BMWs herumfahren. Aber die Kinder sind noch wirklich gleich. Später liege ich auf dem Bett und ruhe mich etwas aus. Auf der Strasse spielen oft Kinder. Ein kleines Mädchen ruft ständig: "Frío, frío!". Wieso "frío"? Es ist doch heiss genug. Aus dem Fenster schauend sehe ich, dass die Kinder "heiss und kalt" spielen wie wir es auch früher getan haben.

Tal von Viñales, Pinar del Rio: Guayabita - Cueva del Indio - Exil-Kubaner

Viñales ist ein kleines Dorf in einem der wohl schönsten Landschaften Kubas. Diese Region wird von bizarren Kalksteinkegeln (mogotes) beherrscht, die steil aus den Feldern aufragen und üppig bewachsen sind. Wir treffen uns schon um neun Uhr um zusammen mit den kubanischen Lehrern nach Viñales zu fahren. Es steht ein gewöhnlicher Stadtbus aus La Habana bereit. Einer der modernen Touristenbussen

Photo © Tobias Hauser
mit Klimaanlage und Vorhängen gegen die Sonne wäre mir schon lieber gewesen. Die Kubaner haben Bongos mitgebracht sowie Claves, Campana und Changüi (Rätsche). Die afrikanischen Ursprünge kommen zum Vorschein und es wird während der ganzen Fahrt kräftig Perkussion gemacht und Gesungen. Dabei wird im Moment gelebt und nicht an später gedacht. Der Perkussionslehrer neben mir, der die ganze Zeit mitmacht, wird später beim Abendessen verausgabt einschlafen. Wo wir vorbeikommen erscheint auf dem Gesicht der Leute beim Anblick der Perkussion machenden Kubaner im Bus unvermittelt ein Lächeln auf dem Gesicht. Eine Polizei-Patrouille auf der Autopista zwischen La Habana und Pinar del Rio schaut zuerst etwas streng und winkt dann lächelnd unseren Bus mit den trommelnden und singenden Kubanern weiter. Einer der vier hinteren Reifen des Busses platzt. Wir überbrücken die Wartezeit für die Reparatur des Busses mit der Besichtigung einer Rum-Kollektive in Pinar del Rio, wo der "Guayabita" hergestellt wird: Rum, der aus den etwa Kaffeebohnen grossen Guyabita-Früchten hergestellt wird. Anschliessend gehen wir in den Park von Pinar del Rio und warten weiter auf den Bus. Die Kubaner machen wieder fleissig Perkussion. Vorbeikommende Leute haben ihre Freude daran und bewegen sich zur Musik. Der Reifen kann nicht repariert werden. Aus La Habana wird ein Ersatzbus bestellt. Wir fahren mit den verbleibenden Reifen weiter nach Viñales. Die kubanische Tanzlehrerin neben mir blättert interessiert in meinem reich bebilderten Reisebuch über Cuba. Sie schlägt ein Kapitel über kubanische Musik auf mit einem Bild von Celia Cruz. "Aber Celia Cruz ist ja gar keine Kubanerin!", fährt es aus ihr heraus. Das Verhältnis zu den Exil-Kubanern scheint wohl etwas angespannt zu sein. Durch die Reifenpanne haben wir leider Zeit verloren. Wir sehen noch etwas vom Tal, das wirklich sehr malerisch ist und besichtigen dann die Höhle "Cueva del Indio". Die Höhle ist relativ gross. Bizarre Tropfsteingebilde hängen herunter und schliesslich gelangen wir mit einer Bootsfahrt auf einem unterirdischem See wieder ins Freie. Zum Abendessen ist die Sonne schon untergegangen und auf der Rückfahrt im Ersatzbus, der tatsächlich kam wie bestellt, ist es endlich angenehm still, da alle müde und erschöpft sind.

Tourismus: Traurige Auswirkungen des Toursimus - Show: Mambo und Changleta

Eine kleine Gruppe von uns hat sich mit einigen der Tanzlehrer für den Ausgang verabredet. Nach einigem Warten erscheint nur einer der Tanzlehrer. Spät abends in die Stadt zu kommen ist für die Kubaner oft ein Problem. Er schlägt vor in ein Lokal zu gehen, wo er manchmal Show macht und viele Leute kennt. Das Lokal ist eine schöne grosse moderne Disco. In Zürich habe ich nichts vergleichbares gesehen. Leider läuft nur für kurze Zeit Salsa und dann Latin-House und Latin Mix. Der Eintritt ist recht hoch und die Getränke sind teuer. Es gibt fast nur männliche Touristen und kubanische Frauen. "Hast du Feuer?". Jetzt wird mir einiges klar ... "Nein, ich rauche nicht!". "Suchst du eine Frau?". Wie heisst es doch so schön: "Jetzt nicht!". Wenn klar ist, dass wir tanzen wollen und nichts anderes, wird man in Ruhe gelassen bis die nächste Welle anrollt. Ich zeige auf die Handtasche einer Kollegin, die sie mir vor dem Tanzen zum Aufbewahren anvertraut hat, und sage vieldeutig: "El bolso de mi novia" (die Handtasche meiner Freundin). Die junge und schöne Kubanerin neben mir begreift sofort und hat alle Mühe ihr Lachen zu unterdrücken. Der Abend in dieser Disco war eine Ausnahme. Es war der einzige Abend in den zwei Wochen in Habana, an dem ich so etwas erlebte. Man bleibt sonst von solchen Dingen verschont, wenn man mit Kubanern in den Ausgang geht, die man kennt. Dann gibt es eine Entschädigung: Es ist Show-Time. Drei Paare der Show-Gruppe der Disco tanzen zu einem alten Mambo von Pérez Prado. Es sieht wirklich gut aus. Ich freue mich, denn so etwas sieht man selten. Anschliessend gibt es eine Rarität: eine Changleta. Dabei wird mit Sandalen mit Holzsohlen (Changleta) rhythmisch zur Musik aufgestampft.

Tropicana. Im Fernsehen sah ich einmal einen Dokumentarfilm über das Tropicana. Es ist eigentlich weniger ein Cabaret mit einer Nachtvorstellung, sondern eine Tanzakademie mit einer Vorstellung vor Feierabend. Die Tänzer werden nach Talent und Wuchs ausgesucht. Während des Tages wird hart gearbeitet. Ich möchte einmal wirklich gute Tänzer sehen auch wenn einer der billigeren Plätze $70.- kostet. Die Show ist ein farbenfrohes Spektakel mit einer grossen Anzahl von Tänzerinnen und Tänzern mit üppigen Kostümen verteilt auf mehreren versetzten Bühnen. Mit Freude stelle ich fest, dass keine Show à la Las Vegas vorgeführt wird, sondern eine rein kubanische Show basierend auf der kubanischen Musik- und Tanz-Tradition. Mal tanzt ein Paar zu einem Bolero ein romantischen Tête-à-tête. Ein anderes Mal kämpft ein Paar tanzend zu afrikanischen Rhythmen gegen eine Übermacht von Eingeborenen. So folgt über zwei Stunden eine Szene der anderen und das Orchester spielt Danzón, Cha-cha-chá, Guanguancó oder Son. Die Clave ist fast immer zu hören. Am Schluss gibt es ein Finale. Da von uns sonst niemand mitkommen wollte, sitze ich alleine an einem Tisch etwas exponiert und werde von einer vorbeischwebenden Tänzerin aufgefordert. Es ist nicht so schlimm, sich rhythmisch etwas bewegen. Mehr wird nicht verlangt. Dann kommt ein kurzer Despelote-Teil. Die Tänzerin lächelt. Nach zwei Wochen Despelote-Kurs mit Marisuri konnte ich etwas mitmachen.

Abschiedsparty. Die zwei Wochen in Habana sind vorbei. Wir hatten eine super Zeit. Der Kreis schliesst sich: Auf dem Dach des Casa del Científico, wo am Anfang die Willkommensparty stattfand, ist nun die Abschiedsparty. Einmal ziehe ich mich etwas zurück und geniesse die Stimmung. "¿Oliver, no te veo bailando?", werde ich gefragt (du tanzt ja nicht). Bei Parties gibt es in Cuba keine Pausen. Der Rest der Gruppe geht noch einmal zum Malecón. Ich lege mich schlafen, denn am nächsten Tag muss ich früh zum Flughafen, um nach Santiago zu fliegen.

SANTIAGO DE CUBA: Flug nach Santiago - Balcón de Velazquez / Hotel Casa Granda - El Morro - Casa de la Trova - Cementerio Santa Ifigenia - Parque Cespedes - Los dos Abuelos

Flug nach Santiago. Ich fliege mit einer Boeing 737 der Aero Caribbean nach Santiago. Ich habe nichts gegen alte russische Maschinen der Cubana de Aviación, wenn sie gut gewartet sind. Aber dies fertigzubringen traue ich dem kubanischen Staat eigentlich nicht zu. Das Flugfeld war dann auch übersät mir ausgeschlachteten Maschinen. Der Flug geht lange Zeit entlang der Westküste. Vom rechten Fenster aus sieht man herunter auf das türkisblaue Wasser mit verstreuten Inseln. Der Flug kostet USD 100.- - fast nichts. Santiago lohnt sich so allemal, besonders verbunden mit Ausflügen nach Baracoa, in die Sierra Maestra oder zum Festival de la Charanga in Palma Soriano, das jedes Jahr anfangs November stattfindet. Nach einiger Zeit macht das Flugzeug einen kleinen Schwenker nach Osten und wir fliegen über die Sierra Maestra. Die Bergketten sind dicht bewaldet. Man sieht keine von Menschen in den Wald geschlagene Wunden wie oft in Südost-Asien und anderswo. Die Ineffizienz des Sozialismus hat die Natur intakt gelassen. Dann beginnt der Landeanflug. Ich weiss von meiner letzten Reise nach Santiago, dass der Flughafen nicht weit von der Festung El Morro entfernt ist. Ich wünsche mir sehr, die Festung aus der Luft zu sehen. Da! Für ein paar wenige Sekunden vor dem Aufsetzen erscheint sie vor meinen Augen. Ich muss unbedingt wieder an diesen Ort zurück. Ich steige aus dem Flugzeug und mir schlägt die Hitze von Santiago entgegen. So heisst es ja auch im Lied "Mi Veneración" von Miguel Matamoros: "La tierra que trembla caliente".

Balcón de Velazquez / Hotel Casa Granda. Nachdem ich eine erste Unterkunft gefunden habe gehe ich in Richtung Stadtzentrum. Ich komme am Balcón de Velazquez vorbei. Von hier aus hat man eine schöne Sicht herunter auf das verfallene Santiago mit Bucht und Sierra Maestra. Die bebauten Hügeln der Stadt fallen wellenartig zum Meer ab. Santiago muss einmal sehr schön gewesen sein. Die kubanische Angestellte am
Eingang sagt mir, dass sie englisch und deutsch spricht. Ich bin erstaunt. Seit einem Jahr arbeite sie nun hier. "Wenn sie vor zwei Jahren hier gearbeitet hätte, würde ich mich an Sie erinnern", sage ich auf deutsch zu ihr. Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht: Sie hat es verstanden. Dann gehe ich weiter zum Hotel Casa Granda. Ich setze mich auf die Terasse und schaue herunter auf den Parque Cespedes. Lange habe ich mir gewünscht wieder hierher zu kommen. Nun ist es wieder soweit.
   
Castillo de San Pedro del Morro: Seeschlacht von Santiago - amerikanische Touristen
Ich sitze im Schatten auf einer Mauer im El Morro mit herrlichem Blick auf Festungsabschnitt und herunter auf Küste und Ausläufer der Sierra Maestra. Die Maschine nach Havanna donnert über mich hinweg. Von ganz oben hat man eine wunderbare Rundsicht auf die Bucht von Santiago. Ich schaue mir die
Festung etwas näher an. Ich gehe in den Raum mit der Darstellung der Seeschlacht von Santiago von 1898 zwischen einer spanischen und einer amerikanischen Flotille. Die zahlenmässig unterlegene spanische Flotille rettet sich vor der amerikanischen in die Bucht von Santiago, dessen Ausgang zum Meer von den amerikanischen Schiffen blockiert wird. Die Versorgungslage und die medizinischen Zustände der Eingeschlossenen wird so prekär, dass sie schliesslich einen Ausbruchversuch wagen. Sie wissen, dass sie vor der Übermacht der amerikanischen Schiffe keine Chance haben. Aber es bleibt keine andere Wahl. Die gesamte spanische Flotille wird von den Amerikanern versenkt. Welcher Verlust an Menschen! Welcher Schlag für die spanische Flotte! Diese Seeschlacht bestürzt und fasziniert mich wieder wie beim letzten Mal als ich hier war. Noch ein Blick herüber zum Flughafen Antonio Maceo dann gehe ich zum nahegelegenen Restaurant und setze mich auf die gedeckte Veranda mit wunderbarer Aussicht herab auf das weite Meer. Eine Gruppe älterer amerikanischer Touristen kommt herein zum Mittagessen. Ein Tropengewitter bricht los und wir stellen uns unter. Man kommt sich etwas näher und ich unterhalte mich mit einem älteren Herrn, der als Pilot an der amerikanischen Luftbrücke nach Berlin beteiligt war. Er erzählt von den Jubiläumsfeiern der Luftbrücke, zu denen die ehemaligen Piloten von der deutschen Regierung nach Berlin eingeladen wurden. Seine Frau und er hatten sich über diese Geste sehr gefreut. Die Gruppe kam mit Cubana de Aviación. Er hält die alten russichen Maschinen für problemlos. Propeller-Motoren seien zuverlässig, meint er.

Casa de la Trova. Am Abend gehe ich in die Casa de la Trova in der Calle Heredia. An der Wand schaue ich mir Bilder von Miguel Matamoros und Nico Sacito an. Rechts vorne sitzt die ältere Dame, die bei meinem letzten Besuch in Santiago behauptete, sie sei jeden Abend hier. Als ich sie sah habe ich mich sofort an sie erinnert. Manche Erlebnisse schlummern lange Zeit im Gehirn und sind plötzlich sofort wieder präsent. Schon erstaunlich. Eine Gruppe aus Guantanamo spielt einen Changüi (Vorläufer des Son). Zur Gruppe gehört ein Paar, das Changüi tanzt, damit die Leute in Santiago sehen, wie Changüi getanzt wird. Mich interessieren die Schritte, kann jedoch nicht viel herauslesen. Es sieht für mich wie Son aus. Dann spielt eine weitere Gruppe mitreissend und die karibische Lebensfreude bricht durch: Das gesamte Publikum stürmt zur Bühne und bewegt sich zur Musik.

Cementerio Santa Ifigenia. Am nächsten Tag gehe ich zum Friedhof Santa Ifigenia: Ein altehrwürdiger Friedhof im kolonialen Stil mit grosszügigem Marmorgräbern. Viele grosse Namen: Bacardi, Cespedes und hier liegt auch Jose Martí. Von hinten sehe ich einen Grabstein mit der Aufschrift "Miguel Matamoros", dem wohl berühmtesten Sonero
Cubas. Ob das etwa das Grab von ihm ist? Meine Schritte werden schneller. Tatsächlich! Auf dem Grabstein steht "Miguel Matamoros Matamoros 1894 - 1971" und dann "Son de la Loma" mit den ersten Noten des Stückes. Ich mache ein Bild: Gehört auf die Homepage des Salsa Clubs. Ich setze mich auf ein Mäuerchen unter einer Gruppe von Palmen und geniesse die Stille.
   
Parque Cespedes: Auswirkungen des Tourismus.
Am Nachmittag unterhalte ich mich im Parque Cespedes mit einigen jungen Kubanern. Einer von ihnen hat Zugriff auf das Internet und weiss ganz gut Bescheid, was in der Welt passiert. Er sei erstaunt gewesen über all die Länder in der Welt, von denen er nichts gewusst habe. Ich verwechsle Ulan Bator mit Ost Timor. Er merkt es sofort - etwas peinlich für mich. "Kennst du Windows? Bill Gates ist doch
 
ein Imperialist!". Ich gebe ihm da recht. Ich frage ihn, wie er die Zukunft in Cuba sieht. Ob sich wohl irgendwann einmal etwas ändern wird? "Man, you are a fucking journalist or what?". Ob ich schon viel gereist sei? Wo es denn die schönsten Frauen gebe? Ich fange an mir zu überlegen, wie ich ihn los werde. "Siehst du diese dicke Frau dort?". Er zeigt auf eine etwas übergewichtige Touristin. "Die würde ich sofort heiraten, wenn ich nur hier rauskäme!". "Ist doch wahr", sagt er: "So ist es doch!". Ich mag ihn, weil er nicht verlogen ist.
 
Los dos Abuelos. Am Abend treffe ich wie abgemacht meinen kubanischen Kollegen, den ich vor zwei Jahren getroffen habe beim Rueda Tanzen am Festival de la Charanga in Palma Soriano. Er hat inzwischen sein Studium in Santiago abgeschlossen und unterrichtet Englisch an einer Sekundarschule in Palma. Er kommt zu mir in die Casa Particular. Im kubanischen Fernsehen wird über die amerikanischen Luftangriffe in Afghanistan gewettert. Es werden die durch die Luftangriffe umgekommenen und die flüchtenden Zivilisten gezeigt. Ich frage ihn, was er vom Afghanistan-Krieg hält. Er könne die Nachrichten-Sendungen im kubanischen Fernsehen nicht mehr sehen. Seit er denken kann wird im kubanischen Fernsehen über die Amerikaner gewettert. Er könne es nicht mehr sehen. Wir gehen ins "Los dos Abuelos" und hören der Son-Band zu, die dort spielt. Es sind nur Touristen dort, die so schlecht tanzen, dass wir niemanden auffordern. Ich bin etwas enttäuscht. Das letzte Mal konnte man kubanischen Paaren zuschauen, die wirklich grossartig Son tanzten. Wir unterhalten uns etwas. Ob er Pläne hat? "Ja, Kuba verlassen!". Die Antwort erschrickt mich etwas, weil sie so schnell und so entschieden kommt. Aber es ist eigentlich kaum verwunderlich: keine Perspektiven, keine Zukunft, keine Aussichten auf Besserung. Die Band spielt die ganze Zeit Son. Son wird auf "4" getanzt (1.Schritt auf 4.Schlag. Siehe Artikel "Bedeutung der Clave" in der Salsa Sabrosa Nr.24). Dazu wird typischerweise im Son der 4.Schlag stärker betont als im Salsa. Das Stück, das sie spielen, ist eher ländlich. Das "4" ist so stark betont, dass man fast nur auf "4" Son tanzen kann und es direkt schwer ist Salsa auf "1" zu tanzen (1.Schritt auf 1.Schlag). Dennoch machen die Band-Mitglieder zur Musik elegante Salsa-Schrittkombinationen auf "1". Und das in Santiago, der Wiege des Son ... Wir amüsieren uns darüber. Ob er morgen noch einmal Zeit hat? Er muss diese Woche bei der Kaffeeernte helfen. Er ruft mich an falls er mit jemanden tauschen kann.
 
LA HABANA: Frente Frío - Konzert von Issac Delgado - Abschied

Frente Frío. Mein kubanischer Kollege konnte nicht mehr kommen und ich entschliesse mich nach Habana zurückzukehren. Ich möchte noch die letzten Tage in dieser faszinierenden Stadt verbringen. In Habana ist es windig. Mit dem Taxi vom Flughafen in Wajay kommend sehe ich wie Kinder am Malecón mit den Wellen

spielen. Wenn eine Welle heranschiesst, spritzt das Wasser hoch über die Brüstung auf die Kinder herab. Für sie ist es ein riesen Spass. Ich verbringe die letzten Tage indem ich auf dem Büchermarkt nahe der Plaza de Armas nach Büchern mit Liedtexten alter kubanischer Klassiker stöbere oder trinke meine kubanische Ersatz-Cola im Restaurante El Patio an der Plaza de la Catedral verschiedenen Son-Bands zuhörend.

Konzert Issac Delgado. Am vorletzten Abend spielt Issac Delgado im Hotel Riviera (Interview mit Issac Delgado in Salsa Sabrosa Nr.24). Der Saal ist sehr schön eingerichtet. Ich hole mir am Vormittag im Hotel Riviera mein Ticket für das Konzert. Am Schalter sehe ich Werbung für Kurzreisen von Habana nach Chichén Itzá und Tulúm, den untergegangen Maya-Städten auf Yucatan. Wie dumm, dass ich dies erst jetzt gesehen habe. Das wäre ungemein interessant gewesen. Vor dem Konzert im Copa Room des Hotel Riviera gibt es eine Cabaret-Show ähnlich der Show im Tropicana. Die Tanzgruppe ist nicht so gross wie die vom Tropicana, aber sie ist genauso professionel und zaubert mit ihrer Darbietung karibische Tanzfreude in den Saal. Der Aufpreis auf das Ticket für die Show war gut angelegt. Nach einer Pause beginnt das Konzert. Issac Delgado wirkt leicht und locker wie am Konzert diesen August in Zürich. Seine Miene zeigt ein entspanntes Lächeln, das von innen heraus strahlt. Einige erfolgsbessene Pop-Stars werden das nie hinkriegen, denke ich mir. Nach jedem Stück blättert er in seinem Notenbuch. Dann scheint er sich zu sagen: "Ach ja, spielen wir doch jetzt mal das hier: 'La Sandungita'". Das Publikum jubelt.

Abschied. Ich sitze im Flugzeug zurück in die Schweiz. Ich erinnere mich an den Rückflug nach meinem ersten Cuba-Besuch. Damals war ich ziemlich still und bedrückt in Gedanken an all die netten Kubaner, die besseres verdient haben. Jetzt bin ich schon ein alter Cuba-Hase. Ob ich wieder kommen werde? Eines Tages wird es wieder soweit sein. Wann das sein wird? Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, wo ich Cuba finde, wenn mir das Land und die Menschen fehlen: in der kubanischen Musik. Eine Reise nach Cuba ist immer lohnenswert: Habana verbunden mit Abstechern nach Santiago, Trinidad oder Viñales. Wenn man mit jemanden zusammen ist, der in Cuba nette Leute kennt, wird jede Reise zu einem Erlebnis.

Oliver Plohmann, Dezember 2001